Die Geschichte der Sicherheitswache bis 1938
Mit kaiserlicher Entschließung vom 2. Februar 1869 wurde in Wien die k. k. Sicherheitswache errichtet. Für 136 Jahre war die Sicherheitswache in
den größeren Städten neben der Gendarmerie das zweite große Polizeikorps in Österreich.
"Die Ansicht, daß die gegenwärtig in Wien bestehende k.k. Militär-Polizeiwache den Anorderungen der Neuzeit nicht mehr entspreche, ist eine in
weiteren Kreisen herrschende geworden und es ist eine nicht abzuleugnende Thatsache, dass bei der Bevölkerung eine Abneigung gegen dieses
Wach-Institut herrscht, in Folge dessen die Mannschaft bei Ausübung ihres Dienstes erfahrungsgemäß beinahe nie eine Unterstützung findet, sondern im
Gegentheile ihrem Einschreiten Hindernisse in den Wege gelegt, ja selbst thätlicher Widerstand entgegengesetzt wird. Unter solchen Verhältnissen
vermag die Militär-Polizeiwache den Anforderungen, die an ein zur Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit bestimmtes Wach-Institut mit
Recht gestellt werden müssen, nicht zu entsprechen. In Anbetracht dessen und in Erwägung, daß das neue Wehrgesetz nur eine dreijährige Dienstzeit
normiert, stellt es sich als eine unabweisliche Nothwendigkeit dar, bereits gegenwärtig Vorsorge zu treffen, daß im nächsten Jahre successive die
Militär-Polizeiwache aufgelöst und an ihre Stelle eine neue Sicherheitswache errichtet werde."
Diese Sätze entstammten dem Vortrag des Ministers für Landesverteidigung und öffentliche Sicherheit, Graf Taaffe, am 8. September 1868 an den Kaiser
zur Frage der Auflösung der Militär-Polizeiwache.
Für die Bildung des neuen Polizeikorps sprach auch, dass Wien die Weltausstellung veranstalten sollte und die Militär-Polizeiwache als nicht
geeignet angesehen wurde, die Herausforderungen für die Sicherheit bei der Weltausstellung 1873 in Wien meistern zu können.
Sicherheitsminister Taaffe schickte im August 1867 Polizeidirektor Hofrat Josef Strobach und Präsidialkommissär Rauscher nach Paris, wo sie die
Vorbereitungen der Pariser Polizei („sergents de ville“) für die „Exposition universelle“ beobachteten. Strobach und Rauscher studierten auch die
Polizeiwache in Berlin. Nach der Rückkehr erarbeiteten Rauscher und Polizeirat Heineis ein Statut über die neue Sicherheitswache. "Die jetzigen
Zeitverhältnisse und der seitherige völlige Umschwung im Staatsorganismus und im Regierungssystem Österreichs lassen die Militär-Polizeiwache als
ungeeignet erscheinen", begründete Hineis die Errichtung einer neuen Wache bei der Wiener Polizei.
Der Wiener Gemeinderat befürwortete die Aufstellung eines neuen Polizeikorps, obwohl der Kostenanteil der Stadt höher geworden war; für die
Militär-Polizeiwache hatte die Gemeinde Wien etwa ein Drittel der Kosten getragen. Ein Gemeinderat hob als sehr positiv hervor, "dass nunmehr nur
intelligente, der deutschen Sprache kundige, womöglich aus Wien oder der nächsten Umgebung gebürtige Personen in die Zivilwache aufgenommen werden
sollen."
Mit Allerhöchster Entschließung vom 2. Februar 1869 genehmigte der Kaiser die Auflösung der Militär-Polizeiwache und die Errichtung der k. k.
Sicherheitswache. Der Wiener Gemeinderat stimmte nach einigen Abänderungswünschen am 31. März 1869 dem Entwurf der Instruktion für die
Sicherheitswache zu.
Ausbildung
Am 1. Mai 1869 wurden die ersten Bewerber in die neue Sicherheitswache aufgenommen. Die Grundausbildung in der ehemaligen k. k. Porzellanfabrik im
neunten Bezirk dauerte vier bis sechs Wochen. Hauptgegenstand war die "Instruktion". Besonderer Wert wurde auf die "Lokalkunde" mit Begehungen der
Bezirke gelegt. Dazu kamen das Schwimmen und Zillenfahren. Die Ausbildung im Rettungs- und Hilfeleistungsdienst erfolgte durch einen Arzt. Damals
wurde der Rettungsdienst von der Sicherheitswache durchgeführt, die erste Rettungsgesellschaft wurde erst nach dem verheerenden Brand des Wiener
Ringtheaters im Dezember 1881 gegründet.
Am 15. Juni 1869 begann die erste Abteilung der Sicherheitswache mit 122 Mann den Dienst in der Leopoldstadt. Untergebracht waren die Wachleute in
einer Kaserne in der Körnergasse. Nach und nach löste die Sicherheitswache auch in den anderen Bezirken die Militär-Polizeiwache ab.
Hauptaufgabe
Hauptaufgabe der neuen Sicherheitswache als "Zivilinstitut" war die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die Wachleute
hatten das Eigentum zu schützen und über die Befolgung der Gesetze zu wachen. Sie mussten die Staats- und Gemeindebehörden bei ihren Amtshandlungen
unterstützen und Übelstände melden.
"Ungewöhnliche Geisteskraft, momentane Auffassungsgabe, Freisinnigkeit gepaart mit innigem Pflichtgefühle, Anständigkeit im Privatleben und urbane
Zuvorkommenheit, ja selbst ein höherer Grand der Eleganz im ämtlichen Verkehre sind unabweisliche Erfordernisse eines Sicherheitsbeamten." Diese
Eigenschaften verlangte Anton Ritter von Le Monnier von den Wachleuten. Le Monnier, ab 1870 Nachfolger Strobachs als Polizeidirektor in Wien, gilt als
großer Reformer der Polizei. Er schaffte das Konfidentenwesen ab und teilte die Polizei in Ämter und andere Organisationseinheiten ein, darunter das
Präsidialbüro, das Zentralinspektorat, das Ökonomiereferat der Sicherheitswache, das Inspektorat des Agenteninstituts (später:
Kriminalbeamteninspektorat), und die Hilfsämter. Le Monniers Einteilung der Polizeiagenden in drei Sektionen (Staatspolizeiliche Abteilung,
Sicherheits- und gerichtspolizeiliche Abteilung, Administrative Abteilung) hatte mehr als einhundert Jahre Bestand.
Für jedem Rayon waren zunächst vier Wachleute vorgesehen; später kam ein fünfter Wachmann pro Rayon dazu. Polizeidirektor Le Monnier führte einen
24-Stunden Wechseldienst ein. Die Sicherheitswachebeamten hatten abwechselnd je drei Stunden Außen- und Innendienst. Ein Teil der Wachleute bildete
die "Reserve".
Uniform
Rock und Bluse der Sicherheitswache waren zu Beginn dunkelgrün und pompadourrot eingefasst, der Mantel war schwarz-grau und hatte eine abnehmbare
Kapuze. Die neuen Polizisten trugen einen schwarzen steifen Filzhut, wie er von der Gendarmerie seit 1860 anstelle der Pickelhaube getragen wurde.
1883 wurde der Filzhut durch einen schwarz lackierten Blechhelm ersetzt. Die Rangabzeichen waren silberne Metalllitzen am Stehkragen; die Chargen
trugen Silberborten am Mützenrand und am Ärmelaufschlag sowie eine silberdurchwirkte Säbelquaste. Die Reiter trugen bis über die Knie reichende
Stulpstiefel, weiße Stulphandschuhe, eine schwarze Kartusche mit dem k.k. Adler. Die Schulterstücke (Epauletten) der leitenden Beamten waren aus
weißfarbigen Metall und rot gefüttert; die Oberbeamten trugen silbergestickte Fransenepauletten.
Auf dem Ringkragen, im Volksmund "Halbmond" genannt, war die Dienstnummer aufgesetzt. Ab 1892 trugen die Wachleute im Dienst immer den dunkelgrünen
Waffenrock und den Helm, um ein "schmuckeres und imponierendes Aussehen" zu gewährleisten.
Nach dem Ersten Weltkrieg mangelte es an Uniformteilen und Stoffen. Die Polizei erwarb von den Siegermächten khakifarbene Felduniformen; erst 1924
wurde wieder die dunkelgrüne Uniform eingeführt. Die Wachebeamten trugen ab nun eine dunkelgrüne Rockblusen, Mäntel und Tellerkappen und schwarze
Hosen.
Telekommunikation
Am 18. Juli 1871 wurde bei der Wiener Polizei eine Telegrafenschule eingerichtet. Ein halbes Jahr später gab es die ersten Verbindungen. Zunächst
bestanden vier Stationen. Eine Leitung führte von der Polizeidirektion „Am Peter“ zum Polizeigefangenenhaus am Salzgries; die zweite Verbindung
bestand zwischen dem Kommissariat Leopoldstadt und der Sicherheitswachekaserne in der Körnergasse. 1872 errichtete die Polizei 30 neue
Telegrafenstationen und im Jahr 1877 konnten die Polizisten bereits von 105 Stationen aus Meldungen durchgeben. Verbindungen bestanden auch zur
Feuerwehrzentrale Am Hof, zu den Bezirksfeuerwachen und zu den freiwilligen Feuerwehren der Vorortbezirke. Der Polizeitelegraf war ein relativ einfach
zu bedienendes Morse-Gerät. Im Jahr 1929 verfügte die Wiener Polizei bereits über 250 Telegrafenstationen.
Die ersten Telefone wurden bei der Wiener Polizei im Jahr 1882 in Betrieb genommen, kurz nach der Erfindung der Telefonie. Im Jahr 1929 bedienten
vier Frauen und Männer die Telefon-Hauszentrale mit 300 Klinkensteckerverbindungen. Es bestanden eine weitere Telefonstation für zwei Vermittler
sowie 21 kleinere Hauszentralen bei den Bezirkspolizeikommissariaten. Für die Kommunikation nach außen gab es 274 Amts- und 276 Nebenstellen; für
interne Telefonate standen 230 Stationen zur Verfügung. Für die Bedienung war eine eigene, 190 Mann starke Sicherheitswacheabteilung zuständig – die
"Telegrafenabteilung". Ab 1884 gab es in Wien auch "Straßentaster", über die Polizisten sich mit Morsezeichen mit der Zentrale verständigen konnten.
Im Frühjahr 1927 nahm die Wiener Polizei die erste Kurzwellenstation in Betrieb; sie wurde von speziell ausgebildeten "Gehörlesern" bedient.
"Berittene" Abteilung
Die Reiterabteilung der Sicherheitswache nahm am 16. Oktober 1869 die Tätigkeit auf. Zunächst gab es 27 "berittene Wachmänner", geleitet von
Bezirksinspektor Ferdinand Hansen, einem ehemaligen Hauptmann der Militär-Polizeiwache; die Pferde wurden von der Militär-Polizeiwache übernommen.
Einen Monat später erhielt die "Berittene" weitere 25 Reiter. Die ersten Stützpunkte befanden sich am Salzgries und in der Schiffamtsstraße.
Hauptaufgabe der Polizeireiter war es, auf die Einhaltung der Fahrordnung zu achten. 1872 gab es bereits 66 berittene Polizisten, während der
Weltausstellung 1873 verdoppelte sich die Zahl der Reiter. Danach wurde ein Teil der Pferde verkauft. Erst ab 1890 wurde die Reiterschar nach und nach
vergrößert. 1913 gab es 318 Pferde. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Berittene Abteilung stark dezimiert. Die Pferde wurden an der Front
gebraucht. Polizeipräsident Johann Schober ließ nach dem ersten Weltkrieg die "Berittene" wieder aufbauen, 1922 erwarb die Polizei die ersten Pferde
aus den Bundesgestüten.
Vor dem NS-Anschluss 1938 bestand die berittene Abteilung aus sechs Offizieren, 308 Reitern und 87 Pferdewärtern. Anfang der 40er-Jahre wurde die
berittene Abteilung schrittweise aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nur mehr bei der Grazer Polizei eine Reiterstaffel, sie wurde 1950
aufgelöst.
Fuhrpark
Für den Transport von Häftlingen wurden geschlossene Pferdewagen verwendet, im Volksmund "grüner Heinrich" genannt. Es handelte sich um zweiachsige,
fensterlose Holzwagen, die von zwei Pferden gezogen wurden.
Die ersten drei Autos bei der Wiener Polizei wurden im Jahr 1910 erworben. Zwei Jahre später wurden zwei Transporter gekauft. Erst nach Ende des Ersten
Weltkriegs kamen weitere Kraftfahrzeuge dazu. Die Polizei erwarb 13 gebrauchte Transportautos um wenig Geld aus der "Sachdemobilisierung". Mit diesen Autos
wurden auch Häftlinge transportiert, sodass die geschlossenen Pferdewagen zunehmend aus dem Stadtbild verschwanden. Im September 1925 fuhr der letzte
pferdebetriebene "grüne Heinrich" durch die Stadt.
1925 hatte die Wiener Sicherheitswache zwölf Pkw, neun Arrestantenwagen, zwei Lkw und vier Mannschaftswagen zur Verfügung. Drei Jahre später kamen
zehn Puch-Krafträder und 14 BMW-Motorräder mit Beiwagen dazu. Zum Fuhrpark zählten 350 Steyr-Waffenräder.
Bewaffnung
Bewaffnet waren die Sicherheitswachebediensteten mit einem kurzen, leicht gebogenen Säbel in einer Lederscheide. Die Wachzimmer waren mit Gewehren
ausgerüstet. Nach und nach erhielten die Sicherheitswachleute Faustfeuerwaffen. 1884 genehmigte die Statthalterei den Ankauf von 500 Revolvern; die
Waffenfabrik Gasser erzeugte einen eigenen Polizeirevolver. 1912 wurde der Polizeirevolver durch die Steyr-Repetierpistole, Kaliber 7,5 ersetzt.
1918 übernahm die Polizei Waffen aus den Beständen der Armee. Einige Zeit hatten die Wachebeamten das Mannlicher-Gewehr mit Bajonett als
Dienstwaffe. Die Polizeidirektion hatte auch Maschinengewehre zur Verfügung. Nach den Unruhen im Juli 1927 erhielt die Polizei neue, schwere Säbel;
zur Bewaffnung gehörte die Pistole und der Gummiknüppel.
Zwischenkriegszeit
Dass die Wiener Polizei nach dem Ende der Monarchie ohne größere Veränderungen weiter bestand, war auch dem im Juni 1918 vom Kaiser eingesetzten
Polizeipräsidenten Dr. Johann Schober zu verdanken, der am 30. November 1918 vom Staatsratdirektorium der Ersten Republik als Chef der Wiener Polizei
bestätigt wurde. Drei Tage später wurde Schober zusätzlich zum Leiter des öffentlichen Sicherheitswesens im gesamten "Deutschösterreich" bestellt und
damit auch zum obersten Kommandanten der Polizei und Gendarmerie. "Keine Behörde dient im gleichen Maße dem öffentlichen Wohle und der ganzen
Bevölkerung wie eine gut funktionierende Polizei", schrieb Schober im Vorwort zum Jahrbuch der Polizeidirektion Wien 1929. "Denn sie ist es, die durch
Bekämpfung des Feindes der menschlichen Gesellschaft, des gemeinschädlichen Verbrechens, und durch Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung
und Sicherheit nicht nur Leben, Gesundheit, Hab und Gut jedes einzelnen, sondern auch den Wohlstand, die Arbeitskraft und damit die Volkswirtschaft
des Landes schützt. Und im Geist einer modernen Entwicklung ist der Polizeibeamte auch zu einem nützlichen Helfer, einem geachteten Freunde seiner
Mitbürger geworden, dessen schützende Hand und dessen hilfreicher Arm von allen – und erfreulicherweise selten vergeblich – steht."
Mit dem Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 wurde der Name "Sicherheitswache" auf "Bundessicherheitswache" geändert. Das Polizeidienstgesetz vom
30. Oktober 1919 regelte die Dienstverhältnisse der Sicherheitswache- und Kriminalbeamten. Das Besoldungsgesetz vom 13. Juli 1921 erhob die Wachleute
von "Dienern" und "Unterbeamten" zu "Beamten". Offiziere kamen in den Stand der "leitenden Beamten". Ab 1924 erhielt die Sicherheitswache ein eigenes
Dienstpostenschema und ab 1936 gebührte den Beamten eine Wachdienstzulage; ab 1929 auch eine Mietzinsbeihilfe. Dazu kamen ein Ortszuschlag und
Gebühren, etwa für Mehrdienstleistung und Inspektionsdienste.
Der Kommandant der Wiener Sicherheitswache ("Zentralinspektor") führte ab 1934 den Titel "Generalinspektor".
Quellen:
- Oberhummer, Hermann: Die Wiener Polizei. 200 Jahre Sicherheit in Österreich, Band I. Wien 1938.
- Steinwender, Engelbert: Von der Stadtguardia zur Sicherheitswache. Wiener Polizeiwachen und ihre Zeit, Band 1: Von der Frühzeit bis 1932.
Graz 1992.
- Wetz, Ulrike: Geschichte der Wiener Polizeidirektion vom Jahre 1945 bis zum Jahre 1955 mit Berücksichtigung der Zeit vor 1945. phil.
Diss. Wien 1971.
Text: © Werner Sabitzer